… statt selbst zu entscheiden können sie ein „Zündholz ziehen“ oder eine „Münze werfen“…es besteht jedoch die Gefahr, dass sie auf Dauer den Kürzeren ziehen, wenn sie solche Entscheidungshilfen für bare Münze nehmen…
Entscheidungen begleiten den Menschen durch sein ganzes Leben.
Alltägliche, kleinere Entscheidungen - welche Schuhe ziehe ich heute an? arbeite ich dieses Jahr zwischen Weihnachten und Neujahr? Und bedeutendere, grössere Entscheidungen – die Wahl eines Berufes, eines Wohnortes, einer Beziehung.
Nicht nur die getroffenen, sondern auch die auf- und von uns weggeschobenen Entscheidungen prägen uns.
„Entscheiden“ ist etwas zutiefst Menschliches und hat viele Facetten. In den äusseren Polen ist es als Entscheiden-Können höchster Ausdruck der menschlichen Freiheit, d.h. handeln, wählen, gestalten, kreieren und vernichten zu können. Auf dem anderen Pol findet sich das Gefühl des Entscheiden-Müssens, die Qual der Wahl, das Zögern und Zaudern, der Zweifel und die Verzweiflung, das Stocken, Verharren und Erstarren.
In der gegenwärtigen Zeit existiert eine zunehmende Vielfalt von Lebensentwürfen und -stilen. Gleichzeitig schwinden die Bedeutung von Religion, Tradition, gesellschaftlich-weltanschaulichen Normen und Werten und damit Möglichkeiten der Orientierung und Ausrichtung im Sinne von Entscheidungshilfen.
Das heisst, der einzelne Mensch ist mehr auf sich geworfen und als Person gefordert, Entscheidungen für sein Leben zu treffen.
Nach Lukas Niederberger bewegt die intensive Beschäftigung mit dem Thema Entscheidungsfindung Menschen dazu, sich bewusster für ihr Leben zu entscheiden und Verantwortung dafür zu übernehmen. In Entscheidungen kommen Innen- und Aussenwelt zusammen, geht es um die Abstimmung von persönlichen Werten und der äusseren sozialen, kulturellen, ökonomischen und ökologischen Wirklichkeit.
Entscheidungsberatung soll die Entscheidungsfähigkeit, die Handlungskompetenz verbessern helfen und die Klientin, den Klienten bis zum Entschluss (Intention) oder bis zur Realisierung einer Entscheidung begleiten.
Neben Phasen der Informationsgewinnung und -verarbeitung bedingt eine Entscheidung ein Bewusstseinsprozess, eine ehrliche Auseinandersetzung mit eigenen Werten, Zielen und dem Selbstbild. Es stellen sich Fragen wie:
- Was will ich?
- Und was will ich nicht?
- Wohin will ich?
- Was ist mir wichtig?
- Wonach richte ich mich aus?
Hinter einer Entscheidungsunfähigkeit, einer blockierten Entscheidungssituation können sich Konflikte verbergen, die eine tiefergehende psychologisch-psychotherapeutische Behandlung nötig macht (beispielsweise Entscheidungsunfähigkeit aufgrund einer depressiven Störung oder Entscheidungsschwierigkeiten bei Ängsten, jemanden zu verlieren oder aufgrund von Schuldgefühlen).
Die Entscheidungsberatung zielt nicht auf den (trainierten) Menschen, der fähig ist, seine Entscheide in Sekundenbruchteile zu fällen, sondern auf den selbst-bewussten (sich seiner selbst bewusst werdenden) Menschen, der bereit ist, auch die schwierigen Phasen in Entscheidungsprozessen und die abgewehrten Seiten in sich kennen- und mit ihnen leben zu lernen.
Zum Thema Entscheiden gibt es eine Vielzahl an Theorien und Modellen. In Form von Entscheidungshilfen schulen sie die „handwerklichen“ Fertigkeiten und Kenntnisse, um eine Entscheidung finden und treffen zu können.
Vielfach finden sich dabei folgende Stufen oder Phasen:
- Beschreibung und Analyse der Entscheidungssituation (des Problems)
- Entwickeln von Handlungsmöglichkeiten (Erweiterung des Handlungsspielraumes)
- Bewertung der Alternativen (Prüfung der Wünschbarkeit, der Realisierbarkeit und der Konsequenzen)
- Auswahl/Entschluss
- Realisierung
Trotz allem Sammeln von Informationen, Abwägen und Gewichten (evtl. mit Verteilen von Punktezahlen) kommt es vor, dass man nicht weiter kommt, in einer Patt-Situation steckenbleibt.
Hier kann der Einbezug des emotionalen, körperlichen Aspektes weiterhelfen. Aktuelle Forschungen der Neurowissenschaften (u.a. A. Damasio) bestätigen den zentralen Stellenwert der Emotionen und des Körpers in Entscheidungsprozessen. Für Maja Storch zeigt sich die Kunst des klugen Entscheidens im stimmigen Zusammenspiel der Vernunft mit dem emotionalen Erfahrungsgedächtnis.
In der Beratungssituation kann dies beispielsweise heissen sich zu fragen: Bin ich zu "kopflastig"? Was empfinde ich körperlich und emotional, wenn ich mir eine bestimmte Alternative vergegenwärtige? Wieso hörte ich nicht auf das diffuse, ungute Gefühl? Wie kann ich meine Körperwahrnehmung und –empfindung schulen? Was verhilft mir zu vermehrter Bodenhaftung?
Literatur:
- Antonio R. Damasio, Descartes’ Irrtum, Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn, dtv, 4. Aufl., München 1999.
- Lukas Niederberger, Am liebsten beides, Entscheidungen sinnvoll treffen, Scherz, 2. Aufl., Frankfurt am Main 2004.
- Maja Storch, Frank Krause, Selbstmanagement – ressourcenorientiert, Verlag Hans Huber, Bern 2002.
- Maja Storch, Das Geheimnis kluger Entscheidungen, Goldmann, München 2005.